5Glossar

Deutsches Mahnverfahren mit Auslandsbezug
Zugunsten eines Auslandsgläubigers (Antragstellers) findet ein Mahnverfahren immer statt; ausschliesslich zuständig ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin (§ 689 Abs. 2 ZPO).
Gegen einen Schuldner mit Auslandswohnsitz / Sitz findet ein Mahnverfahren statt, soweit an ihn dennoch im Inland zugestellt werden kann, z.B. an einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten. Soweit der Mahnbescheid im Ausland zuzustellen ist, ist das Verfahren nur zulässig, wenn die Zustellung in einem Mitgliedsstaat der EU, einem Vertragsstaat des LugÜ sowie in Israel oder Norwegen erfolgen muss (§ 688 Abs. 3 ZPO iVm § 32 AVAG).
Die Zustellung des deutschen Mahnbescheids ins Ausland erfolgt nach der Europäischen Zustellungsverordnung bzw. nach dem Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 sowie den ergänzenden bilateralen Vereinbarungen.
Hat der Antragsgegner (Schuldner) im Inland zwar keinen allgemeinen, wohl aber einen besonderen Gerichtsstand, so ist der Mahnantrag (abweichend von § 689 Abs 2 ZPO) nicht am Wohnsitzgericht des Antragstellers, sondern nach § 703d Abs. 2 ZPO bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht zu stellen. Die internationale und (soweit geregelt) örtliche Zuständigkeit folgt aus Art. 5 ff. EuGVO / LugÜ.
Zu beachten sind neben den üblichen Gerichtskosten und Gebühren für den Mahnbescheid die Übersetzungskosten und eine Prüfungsgebühr wegen der erforderlichen Auslandszustellung. Der Mahnbescheid selbst kann nur in inländischer Währung beantragt werden. Ein Anspruch in ausländischer Währung kann aber für das Mahnverfahren in inländische Währung umgerechnet geltend gemacht werden. In bestimmten Fällen, auf das das AVAG (Gesetz zur Durchführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen vom 19.2.2001) anwendbar ist, kann Zahlung in der entsprechenden ausländischen Währung verlangt werden (§§ 688 Abs. 3 ZPO; § 32 Abs. 1 S. 2 AVAG)
EFTA
Es handelt sich um die Abkürzung für European Free Trade Association (Europäische Freihandels­assoziation). Die Europäische Freihandelsassoziation ist eine am 4. Januar 1960 in Stockholm gegründete Internationale Organisation. Sie besteht heute noch aus den Mitgliedsländern Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz. Mit Ausnahme der Schweiz bilden diese Länder zusammen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).
EG-Vertrag
Mit EG-Vertrag wird der Vertrag vom 25.3.1957 bezeichnet, der der Europäischen Gemeinschaft zugrunde liegt. Ursprünglich wurde er als EWG-Vertrag bezeichnet (Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft). Mit dem Amsterdamer Vertrag wurde die Zählung der Paragraphen geändert. Weiterhin wurde der EG-Vertrag durch den Vertrag von Nizza geändert. Die letzte Änderung geschah durch den Vertrag von Lissabon. Damit wird der in Lissabon am 18.10.2007 beschlossene Reformvertrag der Europäischen Union bezeichnet, der u.a. die zuvor gescheiterte EU-Verfassung ersetzt. Kernpunkte des Vertrages sind:
  1. Einbindung der europäischen Grundrechtscharta aus dem Jahr 2000
  2. die Stärkung der Position eines "europäischen Außenministers" unter dem Titel "Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik"
  3. eine Beschleunigung von EU-Entscheidungen durch Erweiterung der Mehrheitsentscheidungen
  4. die Stärkung des europäischen Parlaments im Gesetzgebungsverfahren
  5. Einführung der doppelten Mehrheit im Ministerrat (d.h. Zustimmung von 55 % der Mitgliedsländer die mindestens 65 % der EU-Bevölkerung vertreten) und
  6. die Übernahme der Rechtspersönlichkeit der EG durch die EU: die Bezeichnung „Europäische Union“ ersetzt endgültig den Begriff „Europäische Gemeinschaft“.
Der Reformvertrag ist am 1.12.2009 in Kraft getreten.
EU-Verordnung
Damit wird eine Form von europäischem Sekundärrecht bezeichnet, das von Gemeinschaftsorganen erlassen wird und die Normadressaten unmittelbar bindet. Eine Verordnung hat allgemeine Wirkung und ist verbindlich. Dagegen legen Richtlinien des europäischen Gesetzgebers nur zu erreichende Ziele fest und entfalten grundsätzlich keine direkten Wirkungen gegenüber den Bürgern der EU. Zur Wirksamkeit müssen sie durch die jeweiligen Gesetzgeber der Einzelstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.
EuGVÜ / EuGVO
EuGVÜ ist die Abkürzung für das Brüsseler EG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968. Als Folge des Amsterdamer EG-Vertrages vom 2.10.1997 hat die EU das EuGVÜ in revidierter Fassung als Rechtsverordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates neu erlassen. Diese EuGVO trat zum 1.3.2002 im Verhältnis zu allen EU-Mitgliedsstaaten (ausgenommen Dänemark) an die Stelle des bisherigen Brüsseler Übereinkommens (Art. 68, 76 EuGVO).
In der Sache ist es den EU-Staaten gelungen, sich auf einen einheitlichen Zuständigkeitskatalog hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit zu einigen. Durch diese einheitliche Ordnung ist die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen innerhalb des Gebietes der Vertragsstaaten so sehr gefördert worden, dass man von einer Freizügigkeit der Urteile in Zivil- und Handelssachen innerhalb der EU sprechen kann. .
In jedem Rechtsfall mit Auslandsbezug muss geprüft werden, ob von der Zuständigkeitsregelung der EuGVO oder von den autonomen Zuständigkeitsbestimmungen der betreffenden Vertragsstaaten ausgegangen werden muss.
Europäische Zustellungsverordnung (EuZustVO)
Die EuZustVO will die Zustellung zwischen den EU-Staaten verbessern und beschleunigen. Im Verhältnis der EU-Staaten zueinander hat sie Vorrang vor anderen multilateralen oder bilateralen Zustellungsregelungen (Art. 30 Abs. 1 EuZustVO; beachte aber Art. 20 Abs. 2 EuZustVO).
Die EuZustVO regelt das Verfahren bei einer grenzüberschreitenden Zustellung (z.B. eines deutschen Mahnbescheids im Ausland), wenn die Anschrift des Empfängers bekannt ist. Ziel ist eine beschleunigte Zustellung. Kann die Zustellung innerhalb eines Monats nach Eingang nicht ausgeführt werden, ist dies der Übermittlungsstelle förmlich mitzuteilen und das Schriftstück zurückzusenden (Art. 7 Abs. 2 EuZustVO).
Für die Übermittlung der erforderlichen Dokumente ist jeder geeignete Übermittlungsweg zulässig, sofern das empfangene Dokument mit dem versandten Dokument inhaltlich genau übereinstimmt und alle darin enthaltenen Angaben mühelos lesbar sind“ (Art. 4 Abs. 3 EuZustVO). Eine Übermittlung auf elektronischem Wege ist daher in der Regel zulässig. Die Schriftstücke werden zusammen mit einem Formblatt-Antrag übermittelt ( Art. 4 Abs. 3 EuZustVO).
Art. 8 Abs. 1 EuZustVO sieht vor, dass die Empfangsstelle den Empfänger darüber belehrt, dass er die Annahme verweigern darf, wenn das Schriftstück (a) in einer anderen Sprache als der Amtssprache des Empfangsstaats verfasst ist oder (b) nicht in einer Sprache des Übermittlungsstaats abgefasst ist, die der Empfänger versteht.
Für Fristenregelungen bestimmt sich das Datum der Zustellung nach dem Recht des Ursprungsstates (Art. 9 Abs. 2; beachte aber Art. 9 Abs. 3 EuZustVO).
Nach Art. 14 Abs. 1 EuZustVO kann jeder Mitgliedsstaat gerichtliche Schriftstücke auch unmittelbar durch die Post zustellen lassen, was die Zustellung regelmässig beschleunigt und dadurch dem Kläger die Rechtsverfolgung erleichtert. Diese postalische Zustellung ist gleichrangig neben der Zustellung im Rechtshilfeweg zugelassen.
Lugano-Übereinkommen (LugÜ)
Das Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ) ist am 16. September 1988 in Lugano geschlossen worden. Es ist ein Parallel-Überkommen zum EuGVÜ (siehe dort). Ihm gehören die alten Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie der Europäischen Freihandelsassoziation (siehe EFTA) an. Liechtenstein als neues EFTA-Mitglied hat das Übereinkommen noch nicht ratifiziert. Das Lugano-Übereinkommen ist in dänischer, deutscher, englischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, isländischer, italienischer, niederländischer, norwegischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache abgefasst. Jeder Wortlaut ist gleichermassen verbindlich (Art. 68).
Schweizerischer Zahlungs­befehl mit Auslandsbezug
Dieser kann nach § 66 Abs. 3, 4 SchKG stets auch an den im Ausland wohnenden Schuldner zugestellt werden. Seine Zustellung hemmt die Verjährung wie ein deutscher Mahnbescheid.

 



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